Klimatag in Konstanz

Fünf Jahre Klimanotstand: Klimatag in Konstanz

Was ist in Konstanz für den Klimaschutz passiert - was muss noch passieren?

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Esther Leuffen
SWR-Redakteurin Esther Leuffen Autorin Bild

Vor fünf Jahren ist in Konstanz der Klimanotstand ausgerufen worden. Konstanz war die erste Stadt in Deutschland, parallel zu Städten wie Los Angeles und London. Was hat es gebracht?

Konstanz hat als erste Stadt Deutschlands am 2. Mai 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Dies geschah zeitgleich mit Städten wie Los Angeles, Vancouver und London und sorgte damals weltweit für Schlagzeilen. Nun fünf Jahre später ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Bei einem Klimatag am Samstag will die Stadt mit der Bevölkerung in den Austausch kommen, wie weit der Klimaschutz in den vergangenen Jahren gekommen ist - und was noch fehlt.

Konstanzer Klimatag am Samstag

Zum Jahrestag "Fünf Jahre Konstanzer Klimanotstand" hat die Stadt am Samstag zu einem Klimatag in den Innenhof des Konstanzer Rathauses eingeladen. Dabei wurden auf einer Bühne folgende Fragen beantwortet: Welche Themen im Bereich Klimaschutz behandelt die Stadt? Wo steht Konstanz bei der Energie- und Wärmewende? Was sind fünf Dinge, um Klimaschutz mit lokaler Kraft umzusetzen? Darüber hinaus diskutierte Oberbürgermeister Uli Burchardt mit Aktivisten von Fridays for Future über den Weg zum klimaneutralen Konstanz bis 2035.

Seitdem der Klimanotstand in Konstanz ausgerufen wurde, ist vor allem viel geplant, analysiert und geschrieben worden: von der Klimaschutzstrategie über die Klimaschutzberichte bis zum Energienutzungs- und Wärmeplan. Diesen Planungsfleiß erkennen sogar die Aktivisten der Konstanzer Ortsgruppe von Fridays for Future wie Manuel Oestringer an.

Stark ist, dass wir jetzt eine Klimaschutzstrategie haben und einige wichtige Planungsdokumente. Wir haben eine Wärmeplanung und wir haben einen groben Zeitplan, wann diese Wärmenetze gebaut werden müssen. Das sind sehr wichtige Schritte. Das Problem liegt darin, dass der Schritt von den Planungsdokumenten in die Umsetzung nur sehr schleppend und sehr langsam läuft, und damit verfehlen wir alle wichtigen Zeitmarkierungen.

Manuel Oestringer war auch vor fünf Jahren bei der Ausrufung des Klimanotstandes in Konstanz dabei. Im Interview mit SWR-Reporterin Esther Leuffen erinnert er sich und spricht darüber, wo es in Sachen Klimaschutz in Konstanz aktuell noch hakt.

Gemeinderat beschließt: Konstanz will bis 2035 klimaneutral sein

Der Konstanzer Gemeinderat hatte 2021 beschlossen, dass Konstanz bis 2035 klimaneutral werden will. Das heißt, die Stadt will bis dahin ihre Treibhausgase um rund 90 Prozent senken. Wie das passieren soll, regelt die Klimaschutzstrategie. Ob die Stadt ihre Ziele aus der Klimaschutzstrategie erreicht, veröffentlicht sie jedes halbe Jahr in ihrem Klimaschutzbericht und stellt damit Transparenz her.

Wir haben unsere CO2-Emissionen seit 2019 um etwa zehn Prozent reduziert, und die Klimaschutzstrategie sieht vor, dass wir die bis jetzt um 28 Prozent reduzieren. Wir haben also eine Lücke von 70.000 Tonnen CO2. Und diese Lücke wird jedes Jahr größer, und wir entfernen uns immer mehr von dem Ziel, das wir uns gesetzt haben.

Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen, hat die Stadt Konstanz auch das Amt für Klimaschutz eingerichtet. Für den Leiter, Philipp Baumgartner, hat die Stadt schon Einiges erreicht - etwa eine Verringerung des Treibhausgasausstoßes seit 2018, bessere Strukturen in der Verwaltung sowie die Erstellung wichtiger Planungsgrundlagen und -ziele wie die Klimaschutzstrategie. Darum sei für ihn das Glas halb voll, auch wenn die Stadt noch nicht an allen Stellen das erreicht habe, was sie sich vorgenommen habe.

Wir haben in den letzten fünf Jahren eine doch ganz deutliche Reduktion erreichen können. Sind aber nicht da, wo wir sein müssten nach fünf Jahren. Es ist, wenn sich alle anstrengen, meines Erachtens zu schaffen. Aber ich sehe auch Bereiche, wo wir eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, diese Ziele nicht zu erreichen.

Schwierige Bereiche sind Gebäude und Mobilitätswende

Die Stadt müsse ihre Anstrengungen nun erhöhen, so Baumgartner. Schwierige Bereiche seien etwa die energetische Sanierung von Häusern und die Mobilitätswende. Vor kurzem haben die Stadtwerke zwar einerseits verkündet, dass die Hälfte der knapp 60 Stadtbusse bald elektrisch fahren, andererseits ist die Stadt Konstanz von dem Ziel, etwa die Parkplätze zu halbieren, noch meilenweit entfernt. Ein kleiner Lichtblick sind laut Philipp Baumgartner die Solaranlagen.

Wir haben uns gefreut, dass im Jahr 2023 der PV-Ausbau auf den Flächen der Stadt dreimal so hoch war wie im Vorjahr. Wir sind damit schon deutlich näher am jährlichen Zubauziel.

Wunsch an "die gute Fee": Wärmenetze im Boden ohne Baustellen

Aber selbst das reicht noch nicht. Um bis 2035 klimaneutral zu werden, muss in Konstanz in allen Bereichen des Klimaschutzes von nachhaltiger Energieversorgung über Gebäude bis Mobilität noch viel passieren. Und das schneller. Käme eine "gute Fee" vorbei, um zu helfen, hätte der Konstanzer Klimaschutzamtsleiter drei ganz klare Wünsche.

Wärmenetze im Boden ohne Baustellen wären super und alle Dächer direkt mit PV belegt. Außerdem ein nachgebessertes Stromnetz, dass der Strom gut abfließen kann, wäre schon mal ein Anfang.

Auch von der Konstanzer Stadtbevölkerung wünscht sich Baumgartner, dass sie noch aktiver wird in Sachen Klimaschutz. Die Menschen in Konstanz verbrauchten im Schnitt fünf bis sechs Tonnen CO2 pro Jahr laut der Territorialbilanz (ohne Fernreisen). Um bis 2035 klimaneutral zu werden, dürften es aber nur 0,5 Tonnen pro Jahr sein. Da sei die Stadt auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen etwa bei der Haussanierung, bei der Installation von PV- Anlagen auf Hausdächern, aber auch bei der Urlaubsplanung und Ernährung.

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Bei den Konstanzern fällt die Bilanz gemischt aus

Bei den Konstanzern fällt die Klimaschutz-Bilanz nach fünf Jahren Klimanotstand gemischt aus. Das ergibt eine Umfrage in der Konstanzer Fußgängerzone.

Klimaschutz ist jede Anstrengung wert

Den Klimanotstand in Konstanz hat auch die Initiative "Konstanz klimapositiv" mit vorbereitet. Sie ist Teil der "GermanZero-Familie". Der Konstanzer Physiker Markus Tittelbach zitiert den 9. Klimaschutzbericht der Stadt vom Januar 2024. Seit 2019 hat Konstanz 19 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart. Allerdings bleibe man deutlich hinter der Zielvorgabe der Klimaschutzstrategie zurück. Die Stadt habe also durchaus etwas erreicht, aber die Lücke, die zur Zielvorgabe fehle, werde jedes Jahr größer.

Die Ziele sind sehr schwer erreichbar. Wenn man sie erreichen möchte, erfordern sie eine Beschleunigung der Maßnahmen. Dabei spielen aber auch Rahmenbedingungen eine Rolle wie personelle und finanzielle Fragen. Trotzdem ist es jede Anstrengung wert, denn die Investitionen, die wir heute nicht tätigen, die zahlen wir später doppelt. Weil die Klimafolgen größer sind als die jetzigen Kosten - um ein Vielfaches.

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